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Jana

„Mein Leben verdanke ich meiner Schwester.“ Sagt die gebürtige Russin, die heute als Wissenschaftlerin in Berlin lebt und arbeitet. Bis dorthin, war es ein weiter Weg: Es ist über 50 Jahre her und doch so nah: in einem kleinen abgelegenen sowjetischen Krankenhaus stirbt Janas Halbschwester, im Alter von nur fünf Jahren. Erst viel später versteht die Familie den Grund: das kleine Mädchen hatte ein bilaterales Retinoblastom. In diesem entlegenen Gebiet Russlands zur damaligen Zeit ein Todesurteil. Das kleine Mädchen wird viel zu spät diagnostiziert, die Krankheit ist weitgehend unbekannt, eine Behandlung gibt es nicht.

Niemand ahnt, dass der Vater bereits die Krankheit hatte. Denn die Geschichte, die sich erzählt wird, ist eine andere: Janas Vater habe einen Ball ins Auge bekommen und als es daraufhin weiß wurde und die Sicht verschwand, verlor er sein Auge.

Šiauliai, Litauische Sozialistische Sowjetrepublik, 1987: die kleine Jana kommt zur Welt. Diesmal ist der Vater vorgewarnt. Jana wird untersucht, von Anfang an kontrolliert und als das Retinoblastom tatsächlich kommt, wird sie in dem renommierten Moskauer Krankenhaus RONC Russian Oncological Center behandelt – und gerettet. Nur drei Jahre lang kann Jana hier noch zu Nachsorgeuntersuchungen reisen. Dann schließen die Grenzen und Janas Mutter findet einen Spezialisten in Litauen.

„So komisch das vielleicht klingt: ich bin mit diesem Gedanken, dass der Tod meiner Schwester mir das Leben gerettet hat, groß geworden und habe lange Zeit fast gar nicht darüber nachgedacht. Es war einfach so. Ein tief vergrabener Gedanke – jahrzehntelang. In den letzten Monaten hat sich das verändert – und heute weiß ich: ihr habe ihr mein Leben zu verdanken, ich hatte einfach mehr Glück als sie. Ein sehr emotionaler Gedanke, es berührt mich, es macht mich traurig, aber es ist einfach so.“

Dass sie ein bisschen anders aussieht, als die anderen Kinder, das macht Jana in der Schulzeit manchmal zu schaffen: „Heutzutage werden Kinder dazu erzogen, offen, tolerant und verständnisvoll zu sein – das gab es bei uns in Russland nicht: die Leute waren arm, hatten andere Probleme, und ich musste zusehen, wie ich das irgendwie für mich hinbekomme.“ Meist gelingt ihr das. Schwieriger ist es zuweilen, mit der überbeschützenden Art der Mutter zurecht zu kommen, die sich viele Sorgen macht.

Heute ist Jana 35 Jahre alt. Brauner Lockenkopf, ein strahlendes, freundliches Gesicht. Sie lebt in Berlin, ist promovierte Biologin, arbeitet in einem Forschungsinstitut der Charite. Insekten, ihre Leidenschaft – Faszination und Entspannung zugleich.

Und Jana ist mit Thomas verheiratet – seit 8 Jahren. Kennengelernt haben sie sich bei einem Niederländischkurs in Belgien, wo sie sieben Jahre gelebt und gearbeitet hat. Er kam rein und es hat sofort geklickt. Und Jana erzählte Thomas auf einem ihrer ersten gemeinsamen Spaziergänge ganz schnell von ihrem RB: „Ich wollte, dass es raus ist, habe es einfach erzählt. Aber ich hatte auch total Angst, dass er Schluss machen würde, wenn ich ihm sage, dass meine Kinder meine Erkrankung erben können.“ Aber Thomas sagte damals einfach: „Okay.“ Und dann: „Danke, dass du es mir gesagt hast – es ändert nichts.“ Happy End. Thomas und Jana lieben Klettern, Musik, die Berge und das Wasser und so oft es geht, fahren die beiden raus aus Berlin in die Natur, die sie so schätzen.

Einmal im Jahr macht Jana ein Ganzkörper-MRT um vorzusorgen: „Was passiert, passiert. Ich möchte aber sichergehen, dass ich alles getan habe. Ich akzeptiere die Situation, wie sie ist und werde für alles was kommt, einen Weg finden, damit umzugehen.“

Jana wird sich als Mutmacherin bei der KAKS engagieren. Vor allem liegt ihr eine gute, strukturierte Nachsorge am Herzen. Und deshalb ist sie Mitglied geworden der KAKS „Nachsorge-Gruppe“, in der Erfahrungen ausgetauscht, wichtige Adressen und Ansprechpartner gesammelt und Publikationen zugänglich gemacht werden. Schon jetzt ist sie beeindruckt, wie positiv die Menschen mit der Diagnose RB sind, welche Perspektive sie aufs Leben haben, wie stark sie sind.

Jana
Mutmacherin