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Uta

„Ich heiße Uta und bin 47 Jahre alt. Im Alter von 18 Monaten wurde bei mir ein bilaterales RB festgestellt. Der erste Arzt erkannte die Krankheit leider nicht. Auch beim nächsten Arzt wurden meine Eltern zunächst wieder nach Hause geschickt, da das Auge nicht getropft war. So verging auch nach dem ersten Verdacht meiner Eltern noch etwas Zeit, bis sie mit mir in der Uniklinik Essen ankamen. Das rechte Auge musste entfernt werden. Das linke Auge wurde bestrahlt. Seitdem habe ich eine hochgradige Sehbehinderung, da die Sehschärfe erheblich herabgesetzt ist und das Gesichtsfeld stark eingeschränkt ist. Die Sehschärfe liegt etwa bei 0,1 (10 %).
Das ist natürlich keine gute Sehkraft, ist für mich aber normal. Obwohl meine Eltern mir immer erzählt haben, dass ich wenig sehe und ich irgendwann natürlich auch verstehen konnte, was die Ärztinnen und Ärzte zu berichten hatten, war ich immer davon überzeugt alles zu sehen. An etwas anderes kann ich mich nicht erinnern. Auch an die Behandlung an sich kann ich mich nicht mehr erinnern. An die Kontrolltermine habe ich nur wenige bewusste Erinnerungen.
Als Kind hatte ich viele Hobbys: Blockflöte, Querflöte, Gitarre, Reiten, Schwimmen… Obwohl hier und da ein besseres Sehen sicherlich vorteilhaft gewesen wäre, hat mich meine Sehbeeinträchtigung nicht davon abgehalten, alles auszuprobieren – meistens erfolgreich.
In den ersten Jahren meiner Schulzeit habe ich eine Förderschule für Schülerinnen und Schüler mit Sehbeeinträchtigungen besucht. Danach war ich auf einem allgemeinen Gymnasium. Zu der Zeit war es noch nicht vorgesehen, dass Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen allgemeine Schulen besuchen. Zum Glück bin ich aber an einer Schule gelandet, die der Sache sehr offen gegenüberstand. Da ich meine Schulzeit mit einem guten Abitur beendet habe, gab der Erfolg allen Beteiligten recht. Ich habe immer noch viele Freundinnen und Freunde aus dieser Zeit. Nach meiner Schulzeit habe ich Sonderpädagogik für Lehramt studiert und arbeite jetzt als Lehrerin für Sonderpädagogik an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen. Während meines Studiums habe ich ein halbes Jahr lang als Assistant Teacher an einer Grundschule in Schweden gearbeitet.
Rückblickend habe ich nicht den Eindruck, dass ich auf irgendetwas aufgrund meiner Sehbeeinträchtigung verzichten musste. Trotzdem war und ist meine Beeinträchtigung natürlich ein Teil von mir, den ich nicht ignorieren kann und will. Während meines Studiums habe ich Angebote für behinderte Studierende in Anspruch genommen und mich in der politischen Selbsthilfe engagiert. Unter anderem habe ich mich auch deshalb bei der KAKS gemeldet, da ich weiß, wie hilfreich ein Austausch mit anderen sein kann, die evtl. auch andere Tipps, Tricks und Strategien nutzen als die Mehrheit der Menschen.
Menschen, die mich neu kennenlernen, fällt gelegentlich natürlich etwas an mir auf. Meistens ist das Schielen oder der Gebrauch von Hilfsmitteln. Wer dann nachfragt, dem erkläre ich erst einmal, wo meine Einschränkungen liegen. Wer dann echtes Interesse hat und weitere Fragen hat, dem erzähle ich dann auch vom RB, der Ursache für meine Einschränkungen. Die Überraschung ist dann meist groß, wenn ich von meinem Glasauge erzähle. Auch wenn ich gelegentlich davon ausgehe, dass anderen mein Glasauge auffällt, erwarten die meisten dann doch kein Glasauge. Allzu viele Gedanken, ob das Glasauge auffallen könnte, sollte man sich also vielleicht gar nicht machen. Jeder darf natürlich selbst entscheiden, wann und wem er etwas über eine Erkrankung berichtet. Das ist ja eine sehr persönliche Sache.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass die RB-Erkrankung natürlich Folgen für den Rest meines Lebens hat, ich persönlich aber meistens nichts vermisse. Ich kenne es nicht anders und stelle die entstandenen Beeinträchtigungen meist nicht in den Mittelpunkt meines Lebens.
Als ich etwa 16 Jahr alt war, ist mein Vater einmal mit mir bei einem Arzt gewesen, der mich nicht kannte. Eigentlich ging es gar nicht um meine Augen, aber der Arzt frage dann doch nach, ob es sich bei mir um ein unbehandeltes Schielen handele. Nachdem mein Vater ihm die Sache kurz erklärt hatte, sagte der Arzt: „Oh, das war bestimmt schlimm!“.
Wir antworteten fast gleichzeitig. Mein Vater sagte „Ja!“ und ich sagte „Nein!“.
Jetzt, als Erwachsene, kann ich natürlich verstehen, dass die Diagnose RB für meine Eltern ein großer Einschnitt war und sie die Erkrankung an sich und die Zeit der Behandlung belastend fanden. Für mich war das alles aber normal. Ein großes Drama war die RB-Erkrankung für mich nicht.“

Uta
Mutmacherin