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Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Vinodh Kakkassery, Chefarzt am Klinikum Chemnitz

Die KAKS ist mutig und das ist das Besondere

Diesen Mann zu sprechen, ist gar nicht so einfach. Denn Professor Vinodh Kakkassery ist nicht nur wie alle Ärzte ein viel beschäftigter Mann, „a busy man“ würden die Amerikaner sagen; nein, er ist ein Umtriebiger der Medizin. Fachmann für Augenheilkunde, Chefarzt am Klinikum Chemnitz, Ausbilder von medizinischen Nachwuchskräften, Wissenschaftler im Bereich der Tumorforschung. Kakkasserys Tag beginnt um halb sieben in der Früh und endet um halb elf am Abend – für die Medizin. Oder wie er uns im Verlauf des Gespräches klar machen wird: für den Menschen. Und damit auch für unsere RB-Familien.

KAKS: Herr Professor, wir wollen sie früh am Tag nicht prüfen, aber Ihnen folgendes Zitat geben: Richtschnur bei der Behandlung des Kranken: stets zweierlei im Augen haben: nützen oder wenigstens nicht schaden. Wissen Sie auf wen das zurückgeht?
Kakkassery (lacht): Das Zitat ist mir noch nicht bewusst begegnet. Aber ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Gefühlt sind wir aber medizin-ethisch schon weiter…. .

KAKS: Haben Sie als Mediziner ein Leitmotiv?
Kakkassery: Lassen Sie es mich so sagen: Der Mediziner hat die Medizin im Blick. Der Arzt jedoch den Menschen mit Organerkrankung. Der Patient kommt zu uns in die Klinik oder Praxis und nachdem er beim Arzt war, geht es ihm besser. Dazu gehört natürlich auch eine gute Medizin. Dieser Gedanke leitet mich.

KAKS: Gilt das auch beim Retinoblastom?
Kakkassery: Wenig ist erschreckender, als diese Krankheit mitzuteilen. Wenig löst mehr Leid aus. Das Kind bekommt im Grunde bei der Hiobsbotschaft nichts mit, für die Eltern ist es dramatisch. Oft entsteht nach Erstellung einer Diagnose eine Art grundsätzlicher Benefit für den Patienten – nämlich durch die Behandlung, z. B. durch eine Operation. Beim RB ist das menschlich ganz anders; da ist der Verlust des Auges, da ist die Chemo und mit ihr verbunden all das, was dann an Leid kommt. Sehr frappierend. Sehr belastend. Da bin ich als Arzt gefragt, gefordert und nehme auch negative Energie mit. 

KAKS: Ihre Schilderung wird unsere RB-Eltern tief berühren und sie an die eigene Geschichte erinnern. Dem jungen Vinodh Kakkassery wird dieses Leid bei der Entscheidung für die Augenheilkunde nicht bewusst gewesen sein. Warum haben Sie diese Fachrichtung gewählt?
Kakkassery: Die ehrliche Antwort ist, ich wollte nicht Medizin studieren, eigentlich galt mein Interesse der Mathematik und Physik. Aber dann wurde es auch durch den elterlichen Rat doch das Studium der Medizin – und schließlich die Augenheilkunde. Ein klarer, überschaubarer, physikalischer und operativer Bereich. Das Sehen – einer der klassischen, zentralen Sinne, die wir Menschen haben.

KAKS: Was ist das Faszinierende am Auge?
Kakkassery: Der Aufbau. Die Konstruktion. Die Idee davon, was das Auge uns Menschen gibt. Wir treffen jeden Tag unseres Lebens visuelle Entscheidungen, derer wir uns mal bewusst, mal unbewusst sind.

KAKS: Sie betonen gerade noch einmal – und für uns nachvollziehbar – die Belastungen für die RB-Patienten und -Patientinnen. Haben Sie als Arzt im Verlauf Ihrer Karriere diesbezüglich dazu gelernt?
Kakkassery: Ja und nein. Jeder Arzt wird und muss ein Leben lang dazu lernen. Und auch der Arzt erfährt eine oft unterschätzte negative Belastung im Klinikalltag, gerade auch bei der Behandlung des Retinoblastoms.   Noch gibt es keine Angebote für junge Ärzte und Ärztinnen, sich diesbezüglich weiterzuentwickeln. Man braucht eine gute Kompetenz, zu reflektieren – über den Patienten, die Situation und die Aufgabe, die man darin hat. Und was es mit einem macht und wie man damit umgeht.

KAKS: Welcher Gedanke leitet Sie dabei?
Kakkassery: Eine meiner Hauptaufgaben ist es, das Leid der Patienten, der betroffenen Familien aufzunehmen. Die Supervision, die ich mit mir selbst oder anderen Kollegen mache, kann mir helfen, Konflikte zu lösen, Sachverhalte besser zu verstehen, die Qualität meiner Arbeit zu erhöhen oder neue Lösungskompetenzen zu entwickeln – ohne dabei von Gefühlen allein geleitet zu sein.

KAKS: Sie forschen, lehren, behandeln. Wir ahnen es, aber was hat für Sie Priorität?
Kakkassery: Ganz klar: Die höchste Bedeutung hat die ärztliche Tätigkeit. Auch die Forschung hat einen hohen Stellenwert. Die Lehre ist ebenfalls sehr wichtig und kommt aus meiner Sicht leider zurzeit ein wenig zu kurz. Das möchte ich perspektivisch auch wieder ändern. Heilkunde bedeutet schließlich, die ärztliche Kunst vom Erfahrenen an die Jüngeren weiterzugeben.

KAKS: Man möchte es Ihnen glauben. Aber wie Sie das noch in Ihren vollen Arbeitsalltag integrieren, bleibt Ihr Geheimnis. Zurück zur Forschung: Woran arbeiten Sie aktuell?
Kakkassery: Ich möchte zwei Projekte hier hervorheben. Das eine ist eine Förderung Ihrer Kinderaugenkrebsstiftung, die die Grundlage für die Stellung eines Antrags bei der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft, Anm. der Redaktion) liefern soll. Und das andere ist eine seit zwei Jahren laufende multizentrische Studie zur Verbesserung der Diagnostik beim Lymphom, die von der Deutschen Krebshilfe finanziert wird.

KAKS: Es wird Sie nicht wundern, dass wir mehr erfahren wollen über Ihre RB-Forschung. Erklären Sie uns bitte Ihr Forschungsziel.
Kakkassery: Wir wollen u.a. herausfinden, warum einige RB-Zellen nicht auf augenerhaltende Therapien ansprechen. Wir wollen den Tumor danach wieder so sensibilisieren, dass dieser auf eine Therapie – insbesondere die Strahlentherapie – wieder besser reagieret und dass möglichst keine Sekundärschäden am Kind entstehen. Dafür nutzen wir ein Zellmodell, um diese Situation dann zu simulieren. 

KAKS: Es klingt kompliziert. Was haben Sie herausgefunden?
Kakkassery: Bisher konnten wir herausfinden, dass gewisse Zelloberflächeneigenschaften sowie fetthaltige Botenstoffe eine Rolle spielen. In einem nächsten Schritt ist das Ziel, diese Eigenschaften und Botenstoffe so zu modulieren und in diesem Modell die Therapie dann wieder zum Erfolg zu führen.

KAKS: Wir sind eine kleine, kreative Stiftung mit Budgetmitteln, die nicht mit denen großer Stiftungen vergleichbar sind. Macht das für Sie einen Unterschied – und wie würden Sie den beschreiben?
Kakkassery: Rational betrachtet erhält man Mittel, um zu forschen. Natürlich gibt es die großen Budgets wie eben erwähnt, aber auch mit etwas geringeren Fördergeldern lässt sich vieles erreichen. Es ist ein wichtiger Anschub, um sich dann für die großen Stiftungen qualifizieren zu können. Eine Hebelwirkung halt. Damit kann ich arbeiten, forschen. Ebenso wichtig ist, dass ich Wertschätzung und Rückhalt erfahre. Das spiegelt in meine Seele und nach außen für weitere Drittmittelanträge. Für beides bin ich sehr dankbar.

KAKS: Herr Professor, Sie bringen uns zur letzten Frage, und die ist ziemlich eitel. Wie finden Sie die KAKS?
Kakkassery (lacht wieder): Gut. Spannend. Mutig. Vielleicht ist letzteres das Besondere an Ihrer Stiftung. Ich sehe den Mut der KAKS, an die Forschung zu glauben, in die Forschung des Retinoblastoms zu investieren. Geld, Zeit und Liebe zu investieren. Die Forschung und die Medizin sind häufig weit weg vom Menschen, fremd, unverständlich halt. Die KAKS geht da genau rein. Die Klinik und die Patientensicht, das eine mit dem anderen zu verbinden. Die KAKS ist dabei, diesen Gedanken zu stärken und hilft mir auch, den Blickwinkel zu erweitern. Und das gefällt mir. 

KAKS: Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und das Gespräch. Und wünschen Ihnen, ein erfolgreiches KAKS RB-Forschungsprojekt und gutes Gelingen in der Patientversorgung. 

Übrigens: Das Zitat zu Beginn des Gespräches geht zurück auf Hippokrates (gr. Arzt, 460 v. Chr., Kos)