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Einzigartige Geschichten

Die vierjährige Nora und ihr „Zauberauge“

Von ihrem „Zauberauge“ besitzt die vierjährige Nora mehrere – und wer nicht weiß, dass ihr linkes Auge ein Glasauge ist, bemerkt es (zunächst) auch nicht. Dass Nora nur auf einem Auge sehen kann, darum macht das Mädchen kein Geheimnis: Im Kindergarten der Nachsorgeklinik Tannheim zeigt Nora den Kindern bereitwillig ihr gläsernes „Zauberauge“. Ihr linkes Auge musste nach der Diagnose „Augenkrebs“ im Herbst 2021 entfernt werden, es war zu diesem Zeitpunkt bereits seit Monaten nahezu blind und die Welt für das kleine Mädchen zweidimensional geworden: Entfernungen, Höhen und Tiefen einzuschätzen, muss Nora mit ihrem einen gesunden Auge neu lernen. Die Nachsorgebehandlung in Tannheim ist der erste Schritt in diese „andere Welt des Sehens“. Immer dabei ist ihr Kuscheltier, der Elefant mit Namen „ELLI“. Er ist ein Geschenk der „KinderAugenKrebsStiftung“ und hat wie die Kinder selbst ein herausnehmbares Auge. Elli ist Wegbegleiter, Verbündeter und Sorgentröster dieser schwer geprüften Kinder.

„Das linke Auge reflektierte die Sonne anders als das rechte“, schildert die Mutter beim Gespräch am Ende der Familienorientierten Reha in Tannheim ihren Verdacht vom Sommer 2021, dass bei ihrer Tochter Nora bedenkliche Augenprobleme bestehen könnten. Eine Vorsorgeuntersuchung bestätigt die Vermutung – jetzt heißt es für die Eltern Britta und Kai Wagner elf Wochen lang auf den dringenden Augenarzttermin zu warten… Nora klagt in dieser Zeit verstärkt über Kopfschmerzen und wirkt „tollpatschig“. Mutter Britta vermutet rückbli-ckend: „Das war der Zeitpunkt, zu dem sich die Netzhaut abzulösen begann und Nora bereits nichts mehr sehen konnte.“
Als der Augenarzttermin endlich wahrgenommen werden kann, zeigt sich, dass Nora auf dem linken Auge erblindet ist, die Einweisung ins Winterberg Klinikum Saarbrücken folgt umgehend. Dort wird nicht gezögert und Nora in die Klinik für Augenheilkunde am Universi-tätsklinikum Essen überwiesen. Nun bestätigt sich nach kurzer Zeit der schon bei der Untersuchung durch den Augenarzt und im Krankenhaus in Saarbrücken aufgekommene Verdacht: Nora leidet an einer frühkindlichen Krebserkrankung, dem seltenen Retinoblastom – gemeinhin als „Augenkrebs“ bekannt.

In der Universitätsmedizin in Essen ist Nora am richtigen Ort: Das Uniklinikum ist führend in Therapie und Forschung zu dieser Augenkrebserkrankung. In Deutschland gibt es etwa 60 Neuerkrankungen pro Jahr und die meisten dieser Kinder werden in Essen behandelt. Ein interdisziplinäres Team aus Kinderonkologen, Augenärzten, Neuroradiologen, Humangenetikern, Pathologen und Strahlentherapeuten betreut die erkrankten Kinder. Hoffnung macht: Fortschritte in der Diagnostik und der OP-Technik führten dazu, dass heute mehr als 95 Prozent der erkrankten Kinder überleben.

Vater Kai Wagner: „Für uns war das ein wirklicher Schock, die MRT-Aufnahmen zeigten, dass der Tumor bereits zwei Drittel des Augapfels eingenommen hatte. Eine Chance, das Auge zu retten, gab es nicht. Wäre es aus kosmetischen Gründen erhalten worden, hätte auch das zweite Auge vom Krebs befallen werden können. Da war klar, dass wir uns für die Entfernung des Auges entscheiden.“ Mutter Britta ergänzt: „Es bestand wirklich keinerlei Chance, das Auge zu erhalten, weder durch Chemotherapie, Bestrahlung, Lasern oder andere Methoden.“

Nur 14 Tage bis zur Operation
Die Operation erfolgte am 12. Oktober 2021, zwischen der Erstdiagnose und der jetzt erfolgten Entfernung des Auges waren gerade einmal 14 Tage verstrichen. Aber wie bereitet man ein vierjähriges Kind wie Nora auf so einen Eingriff vor ? Die Eltern: „Sie selber hatte es schon bemerkt, dass da etwas nicht stimmt und das Auge nicht mehr richtig funktioniert. Wir erklärten ihr, dass das Auge kaputt ist und man gucken muss, ob man es reparieren kann. Aber wenn man es eben nicht reparieren kann, das Auge für sie gefährlich ist, sie krank machen kann und es unbedingt entfernt werden muss. Und dass sie dafür als Ersatz ein Zauberauge aus Glas bekommt.“ Die Eltern ergänzen, dass sowohl die Aufklärung als auch die Vorbereitung auf den operativen Eingriff in Essen einfach toll gewesen sei. Auch Noras acht Jahre alte Schwester Ida-Marie erfährt eine liebevolle Betreuung.

Nach der OP will Nora so schnell wie nur möglich das Krankenhaus verlassen, sie ist nervlich enorm belastet. Da die OP zu Corona-Zeiten erfolgt, darf nur die Mutter die Tochter begleiten. Ihr Vater und Schwester Ida-Marie übernachten im Stiftungshaus neben der Klinik. Weil die Tochter heim will, sitzen Mutter Britta und Nora bereits zwei Tage nach dem Eingriff im Intercity-Zug. „Kaum war Nora zu Hause angekommen, hat sie eine Riesenportion gegessen, entspannte sich und war einfach glücklich“, blickt die Mutter zurück.

„Glasauge“ ist eine große Kontaktlinse
Nora fühlte sich fit – und bereits am Samstag nach der Operation fährt die Familie nach Holland in den Urlaub. Die Wagners folgen damit der Empfehlung der Ärzte. Für Nora selbst sind schon die ersten Tage nach der Operation mehr Entlastung als Belastung. Sie klagt nicht länger über Kopfschmerzen und flitzt fünf Tage nach der Operation mit ihren Freunden am Strand entlang… Schwierigkeiten bereitet indes das Einschätzen von Höhen und Tiefen. Es braucht Zeit, um zu lernen, bei-spielsweise am Schatten von Objekten zu erkennen, welche Gefahr von Ihnen ausgehen könnte.
Dreieinhalb Wochen nach der OP ist der Heilungsprozess so weit fortgeschritten, dass Nora ihr „Zauberauge“ eingesetzt bekommt. Längst handelt es sich dabei nicht mehr um eine Glaskugel, wie man sie beispielsweise aus Piratenfilmen kennt. Zunächst wird nach dem Entfernen des Auges in die Augenhöhle zwar eine Kugel mit einer rauen Oberfläche eingesetzt. Sie hat auch die Aufgabe, die Knochen in ihrem Umfeld zum Weiterwachsen zu animieren. Doch an diese Kugel werden „lediglich“ die Sehmuskeln angeschlossen, sie bewegt sich somit. Erst wenn die Bindehaut des Auges vernäht ist, wird auf dieser das tatsächliche gläserne Auge platziert, das einer großen Kontaktlinse ähnelt. Dieses „Zauberauge“ bewegt sich dank der mit den Sehmuskeln verbundenen Kunststoffkugel mit den Blicken des Kindes mit, ist für den unbefangenen Betrachter als künstliches Auge nicht erkennbar. Nora kann blinzeln und selbst Tränen fließen aus ihrem „Zauberauge“. Und sie bekommt mit jeder neuen Schuhgröße eine neue Prothese – ihr künstliches Auge wächst sozusagen mit.

Britta und Kai Wagner mit ihren Töchtern Ida-Marie (8) und Nora (4) bei der Reha in Tannheim. Tochter Nora lernt hier, sich nach ihrer Augenkrebs-Operation besser in unserer dreidimensionalen Welt zurechtzufinden, mit ihrem verbliebenen gesunden Auge u.a. Höhen und Tiefen besser einzuschätzen.

Von der Nachsorge in Tannheim begeistert
Die Empfehlung, eine Familienorientierte Reha anzutreten, sprach der Soziale Dienst des Essener Klinikums direkt nach der Operation aus. Da man von Tannheim nur Gutes höre, entschied sich die Familie Wagner für diese Einrichtung und ist von der ersten Stunde an begeistert. Die Nachsorgeklinik sei toll organisiert und biete eine Super-Behandlung. Mit Blick auf die Krankheitsgeschichte von Nora legen die Eltern besonderen Wert auf die Meinung von Experten. Sie wollen von ihnen hören, wie eine ergo- und physiotherapeutische Betreuung Nora helfen kann, ihren Augenverlust auszugleichen. Die Familie will zudem zur Ruhe kommen.
Das Ergebnis der vierwöchigen Reha ist enorm positiv: Die Ergo-, Physio- und Reittherapie, die Nora in Tannheim absolviert, bringt ihr deutlich mehr motorische Sicherheit. Mutter Britta: „Sie stürzt nicht mehr so oft beim Rennen – sie klettert ganz anders irgendwo hoch. Tannheim hat ihr sehr viel gebracht! Nora steckt voller Zuversicht und Lebensenergie.“
Auch die Eltern profitieren: Physiotherapie, Massage und Yoga helfen Britta Wagner dabei, ihre aus der Angst um das Kind resultierenden inneren Spannungen abzubauen. Kai Wagner kann seinen Akku mit Physiotherapie und viel Sport wieder aufladen und den inneren Druck minimieren. Wichtig sind die Gespräche mit dem onkologischen Chefarzt Dr. Weis. Mit ihm können die Prognosen für die weitere gesundheitliche Entwicklung von Nora in aller Ruhe besprochen werden.
Fazit der Familie Wagner: „Tannheim ist warm und herzlich, bietet eine individuelle, bestmögliche Erholung. Und man kann sich abends beim Bier auch einfach mal was von der Seele reden. Besonders schön: Auch Noras Schwester Ida-Marie fühlte sich rundum geborgen.“

Quelle: Zeitschrift „Dankeschön“ 01/2023 – Stiftung Deutsche Kinderkrebsnachsorge
Autor: Wilfried Dold, doldmedia