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Alena P.
Mein Name ist Alena und ich wurde im Alter von 2 1/2 Jahren mit der Diagnose eines unilateralen Retinoblastoms überrascht – genauer gesagt meine Eltern, da ich aufgrund meines jungen Alters keine Erinnerungen an diese Zeit habe. Nur die jahrelangen Kontrolluntersuchungen in Essen sind mir im Gedächtnis geblieben, die für uns alle zur Gewohnheit wurden und mit Besuchen im Gruga Park oder Centro kombiniert wurden. Zum Glück war es ausreichend, mein rechtes Auge operativ zu entfernen, sodass keine zusätzliche Chemotherapie oder Bestrahlung notwendig war. Dies ist nun 22 Jahre her und seit einigen Jahren habe auch ich den Mut gefunden, über meine Erkrankung zu sprechen.
Während meiner Kindheit wollte ich einfach nur wie alle anderen Kinder sein, einfach „normal“ sein. Wenn ich jetzt an diese Zeit zurückdenke, frage ich mich: „Was heißt eigentlich normal?“ Damals war mir dieses jedoch nicht so bewusst, sodass ich immer so tat, als wüsste ich nicht wovon die anderen Kinder sprachen, wenn sie mich auf mein Schielen ansprachen. Auf Klassenfahrten säuberte ich meine Prothese heimlich im Zimmer der Lehrerin oder wenn kein anderer im Waschraum war. Selbst meine Freunde wussten nur von meiner Erkrankung, weil meine Eltern es ihren Eltern erzählt hatten. Im Sportunterricht war es mir wichtiger, wie alle anderen behandelt zu werden, als meinen Lehrern von meiner Einschränkung zu erzählen. Schlechtere Noten aufgrund meines eingeschränkteren Sichtfeldes nahm ich in Sportarten, wie Tischtennis oder Badminton bereitwillig in Kauf, um keine Sonderbehandlung zu bekommen. Diese Zeit der Verdrängung ging bis in die Oberstufe, als im Biologieleistungskurs das Thema Genetik behandelt wurde. Die Informationen über Gendefekte und Erbkrankheiten interessierten mich plötzlich so stark, dass ich anfing über meine Erkrankung nachzudenken. Als uns unsere Lehrerin dann eine Abiklausur aus dem Vorjahr zum Üben mitbrachte und es eine Aufgabe zum Retinoblastom gab, wollte ich unbedingt mehr über meine Erkrankung erfahren und fing an, mich darüber zu informieren.
Mein starkes Interesse für Genetik hat im Nachhinein sogar dazu geführt, dass ich angefangen habe Biologie auf Lehramt zu studieren.
Wenn mich heutzutage jemand auf mein Auge anspricht, lasse ich mir keine Ausreden mehr einfallen, sondern erzähle einfach was mit meinem Auge passiert ist.
Die Möglichkeit, anderen Betroffenen und ihren Eltern Ängste und Sorgen vor der Zukunft zu nehmen, empfinde ich als eine riesengroße Chance, die ich als neue Mutmacherin ergreifen möchte.
Obwohl ich meine anfänglichen Schwierigkeiten mit der Erkrankung hatte, habe ich zu jeder Zeit ein absolut normales Leben geführt. Bis auf die Situationen, in denen ich von anderen Kindern auf mein Auge angesprochen wurde, habe ich gar nicht wahrgenommen, dass ich nur ein Auge habe. Da ich keine Erinnerungen an die Zeit mit zwei gesunden Augen habe, ist es für mich vollkommen normal, nur mit einem Auge sehen zu können. Die Einschränkung des Sichtfeldes fällt kaum noch auf, sodass ich einen Führerschein machen konnte (mit einer augenärztlichen Bescheinigung, der normale Sehtest beim Optiker hat nicht ausgereicht) und auch in meiner Freizeit alles tun kann, was ich möchte. Während des Studiums habe ich ein halbes Jahr lang an einer Universität in den USA studiert und werde nach meinem Masterabschluss im Frühjahr ganz normal das Referendariat antreten.
Was ich anderen Betroffenen und ihren Eltern mit auf den Weg geben möchte, ist deshalb Folgendes: Das Leben nach einer Retinoblastomerkrankung ist nicht viel anders als das von Menschen ohne Retinoblastom. Manchmal müssen wir eventuell kleine Umwege gehen (wie der aufwendigere Sehtest beim Führerschein oder lebenslange Kontrolluntersuchungen beim Augenarzt), was uns jedoch nicht davon abhalten kann, das zu tun, was wir wollen und Spaß am Leben zu haben.
Und solltest Du anfängliche Probleme mit der Erkrankung haben, wie ich sie hatte, bist Du damit nicht allein, wie Du siehst. Ich kann Dir jedoch sagen, dass es gar nicht so schlimm ist, über seine Erkrankung zu sprechen und wirklich gute Dinge daraus hervorgehen können – Ich bin mir z.B. ziemlich sicher, dass nur mein Mut und meine Offenheit bezüglich meiner Situation mir zu einem Teilstipendium für mein Auslandssemester verholfen haben.
Alena P.
Mutmacherin