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Lilia R.

Im Alter von ca. 4 Monaten (also im Februar 2003) bemerkten meine Eltern ein Schielen auf meinem rechten Auge und stellten mich bei verschiedenen Augenärzten vor, welche jedoch meinten, meine Eltern sollten mich im Alter von 2 Jahren noch einmal vorstellen, da man in dem jungen Alter das Schielen nicht therapieren könnte. Als meine Eltern dann Ende des Jahres 2003 zusätzlich eine weiße Pupille auf Blitzlichtfotos von mir entdeckten, drängten sie meinen damals behandelnden Augenarzt zu einer Überweisung an eine Uniklinik. Danach ging glücklicherweise alles relativ schnell: Nach einem Termin in der Uniklinik Gießen Mitte Januar wurden wir mit der Verdachtsdiagnose Retinoblastom an die Uniklinik Essen überwiesen, wo wir nur zwei Tage später einen Untersuchungstermin bekamen, der die Diagnose sicherte. Drei Tage später, am 29.01.2004 wurde die Enukleation vorgenommen, welche zum Glück komplikationslos verlief. Die damaligen DNA-Ergebnisse ergaben ein nicht-hereditäres unilaterales Retinoblastom, was meine Eltern aufatmen ließ, genau wie der Fakt, dass mein Zwillingsbruder Luke nicht das entartete Gen trug, also “unversehrt” bleiben würde . Ich lernte ab dann also mit einem Auge zu leben, Ballspiele sind zwar teilweise immer noch ein bisschen schwierig, aber im Tischtennis werde ich immer besser 😉 Die anfangs dreimonatigen, dann halbjährlichen Besuche bei meinem Okularisten im Institut Müller & Söhne in Wiesbaden habe ich tatsächlich immer als sehr toll empfunden, denn ich konnte ganz alleine einen Ausflug mit Mama oder Papa machen, mal ohne meinen Zwillingsbruder.
Ich hatte sehr Glück mit meinem verständnisvollen und unterstützenden Umfeld, aber hin und wieder gab es auch mal unschöne Situationen wie Kinder, die mich in der Ferienfreizeit wegen meines Auges ärgerten oder mein Sportlehrer in der 8. Klasse, der mir trotz Wissen über die Einschränkung durch mein Auge eine 6 im Federballspielen verpasste. Obwohl ich eigentlich gerne und sehr offen über meine Prothese und Geschichte rede, gibt es paradoxerweise immer noch Situationen, die für mich schambehaftet sind, zum Beispiel trage ich, wenn ich bei FreundInnen übernachte, die ich noch nicht so lange kenne, mein Auge auch beim Schlafen.
Aber weiter im Zeitstrahl: Mitte 2016 erhielt ich einen Brief aus der Humangenetik der Uniklinik Essen mit der Bitte, einen erneuten Wagenabstrich einzusenden. Gesagt, getan. Einige Wochen später kam ein weiterer Brief aus der Humangenetik mit dem Ergebnis, mein Retinoblastom sei doch hereditärer Art. Was genau das für mich und vor allem etwaige Nachkommen bedeutet, habe ich erst vor ca. 3 Jahren begriffen, als ich ein Beratungsgespräch mit Prof. Dr. Lohmann hatte, dem Humangenetiker, der bereits 2004 meinen Fall behandelte.
In den ganzen 20 Jahren, die ich jetzt mit nur noch einem Auge lebe, habe ich tatsächlich noch nie einen anderen Retinoblastom-Survivor kennengelernt und freue mich sehr darauf, dass sich das jetzt ändern könnte. Denn obwohl mein Leben bisher trotz aller Widrigkeiten, wie ich finde, gut gelaufen ist, gab es schon Momente, an denen ich mich anders und unverstanden gefühlt habe und mir jemanden wünschte, der ähnliches durchgemacht hat, mit dem ich mich austauschen konnte. Damit es anderen Betroffenen und Angehörigen nicht auch so gehen muss, würde ich mich sehr gerne einbringen.
Mittlerweile wohne ich in Köln, bin examinierte Krankenschwester und studiere Medizin an der Uni Köln. Ich cheerleade, tanze sehr gerne und freue mich immer, neue Leute kennenzulernen.
Im Wartezimmer meines Okularisten lag das Buch “Elis, Elba und Elli” (übrigens eine echt tolle Idee und Gestaltung) aus, was mich auf die KAKS aufmerksam gemacht hat. Ich habe auch meinen Eltern von der KAKS und dem Zoom-Stammtisch erzählt und die beiden würden gerne mal daran teilnehmen 🙂
Lilia R.
Mutmacherin