Bis zur Grundschule habe ich geglaubt, dass ich genauso bin wie alle anderen Kinder. Oder viel mehr dachte ich – dass auch alle anderen Kinder ein Glasauge haben. Meine Mutter ist das Auge oft heruntergefallen, weshalb ich zu allen möglichen Kindergeburtstagen einfach ohne Auge gegangen bin. Ich kann mich an keine schlechten oder komischen Kommentare erinnern. In der ersten Klasse habe ich dann das Auge auch mal direkt herausgenommen und hab es stolz jedem Mitschüler aus der Klasse gezeigt. Es war wie eine Superkraft – etwas cooles was sonst niemand in meiner Klasse tun konnte. Was ich schon nervig fand, allen immer meine Geschichte zu erzählen und immer Bemitleidung zu bekommen – denn ich hatte gar keinen Grund, um traurig zu sein. Mein Auge hat mich nie eingeschränkt oder mich traurig gemacht. Klar gab es Momente, wo mal jemand ,,Glupschauge“ zu mir gesagt hat. Aber mein Umfeld hat mich immer aufgefangen. Schwerere Momente kamen so richtig erst in der Pubertät. Wird sich jemals jemand in mich verlieben und sehe ich nicht total komisch aus? Schnell habe ich aber auch gemerkt, dass meine Freundinnen ähnliche Probleme hatten – auch ohne Glasauge.